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Faszien – Das unterschätzte Netzwerk unseres Körpers

  • Autorenbild: Amara Kealoha
    Amara Kealoha
  • 9. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

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Springen, hüpfen, dehnen – Bewegungen, die wir oft mit Kindheit, Freude oder Sport verbinden. Doch in der modernen Bewegungstherapie erleben genau diese Bewegungsformen ein Comeback. Verantwortlich dafür ist die Faszienforschung – ein noch junges, aber revolutionäres Feld der Medizin.


In den Kursen der Rheumaliga etwa sind fasziale Übungen heute keine Seltenheit mehr. Über 50 Kursleiterinnen wurden eigens für Faszientraining weitergebildet und unterstützen Menschen mit Rheuma auf sanfte, aber wirkungsvolle Weise in ihrer Beweglichkeit. Doch was genau sind Faszien – und warum bekommen sie gerade so viel Aufmerksamkeit?



Was sind Faszien überhaupt?


Der Begriff „Faszie“ stammt vom lateinischen fascia und bedeutet so viel wie Band oder Binde. Gemeint ist damit das Bindegewebe, das unseren gesamten Körper durchzieht. Bis vor wenigen Jahren fristete es eher ein Schattendasein – heute gilt es als Schlüsselstruktur für Gesundheit, Bewegung und Schmerzempfinden.


Faszien umhüllen nicht nur Muskeln und Organe, sie sind auch Bestandteil von Haut, Knorpeln, Sehnen, Knochen, Gelenken und sogar von Gehirn und Rückenmark. Sie bilden ein durchgängiges, feinmaschiges Netz, das jede Zelle miteinander verbindet – vom kleinsten Muskelstrang bis zur Organhülle.



Kraftpakete mit Feingefühl


Faszien bestehen aus verschiedenen Zelltypen, insbesondere aus Fibroblasten. Diese produzieren Kollagen – ein Eiweiß, das dem Gewebe Zugkraft verleiht – sowie Elastin, das Faszien dehnbar macht. So flexibel, dass sie sich auf mehr als das Doppelte ihrer Länge ausdehnen können!


Dieses elastische Netz wirkt im Körper wie ein Kombi aus Stoßdämpfer, Gleitmittel und Haltekonstruktion. Es verleiht den Muskeln ihre Form, stützt die Knochen und verhindert, dass Organe „herumrutschen“.


Das Faszinierende: Alle Faszien stehen miteinander in Verbindung. Der Körper funktioniert in faszialen Ketten – das erklärt, warum eine Verspannung in der Wade bis in den Nacken spürbar sein kann.



Das geheime Sinnesorgan


Dank moderner Bildgebung konnten Forscher nachweisen, dass Faszien viel mehr können, als bisher angenommen. Sie ziehen sich eigenständig zusammen, speichern Energie und übertragen Muskelkraft effizient. Und sie sind reich an Sensoren: Bewegungs- und Schmerzrezeptoren sitzen zu großen Teilen im Bindegewebe – nicht etwa im Muskel oder Gelenk, wie lange vermutet.


Damit gilt das Fasziennetz als größtes Sinnesorgan des Menschen. Es sendet ununterbrochen Informationen an das Gehirn und hilft uns, Bewegungen koordiniert und fließend auszuführen – ganz ohne darüber nachzudenken.


Bemerkenswert ist auch die emotionale Komponente: Faszien speichern Erlebnisse – auch belastende. So können alte Schmerzen oder Traumata im Gewebe „festsitzen“ und unser Wohlbefinden beeinträchtigen.



Wenn Faszien krank machen


Faszien sind anpassungsfähig – doch sie reagieren empfindlich auf Stress, Bewegungsmangel oder Überlastung. Dann können sie verkleben, verhärten oder sich entzünden. Besonders auffällig ist das bei Rückenschmerzen. Im Fokus steht hier die Lendenfaszie – die größte Faszie im menschlichen Körper. Sie verbindet Rücken-, Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur und kann bei Störungen starke Schmerzen verursachen.



Bewegung als Medizin: Faszientraining


Der bekannte Faszienforscher Dr. Robert Schleip bringt es auf den Punkt: „Wer sich nicht bewegt, verklebt.“ Die gute Nachricht: Schon einfache, regelmäßige Bewegungen regen die Zellerneuerung im Fasziengewebe an.


Am besten geeignet sind dynamische, federnde Bewegungen wie Hüpfen, Springen oder Tanzen. Besonders effektiv sind „langkettige Dehnungen“, bei denen mehrere Muskelgruppen gleichzeitig gedehnt werden – z. B. vom unteren Rücken über Gesäß und Beine bis zur Fußsohle.


Faszientraining ist keine Modeerscheinung, sondern ein sanfter, aber wirkungsvoller Weg zu mehr Beweglichkeit, Körpergefühl und Lebensfreude – ganz gleich, ob jung oder alt, gesund oder chronisch erkrankt.



Quelle:

„Bindegewebe. Ein neues Kapitel der Heilkunst?“, in: GEO 2015/2, S. 98–119

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